Ich weis, dass es sehr sehr lange her ist das ich den Block das letzte Mal
aktualisiert habe und es ist extrem viel passiert. Jetzt möchte ich erst einmal
meinen Zwischenbericht vom Dezember "nachreichen". Im Januar war ich
2 Wochen in Patagonien und hatte einen wunderschönen Urlaub und bei unserer
Arbeit hat sich auch schon wieder einiges verändert.
Aber jetzt erst mal der Zwischenbericht:
Hallo Zusammen,
jetzt ist es schon soweit, die ersten Monate sind um und
bald ist Weihnachten. Kaum zu glauben, denn die Zeit vergeht wie im Flug. In
Weihnachstimmung bin ich noch nicht, obwohl schon fleißig Plätzchen gebacken werden.
Auch in meinem Projekt wird die Adventszeit für weihnachtliche
Bastelaktivitäten genutzt, wobei alle bei über 30°C vielmehr Lust auf den Pool
haben. Mir gefällt es hier in Argentinien und im Kinder- und Jugendprojekt
„Hogar German Frers“ sehr gut und ich fühle mich wohl, aber dazu mehr im
Einzelnen.
Flug, Ankunft und
Sprachkurs in Buenos Aires:
Am 10.08 um 23.00 Uhr war es soweit mein Flugzeug von
Frankfurt nach Buenos Aires ist gestartet und am 11.08 kamen wir um 7.00 Uhr
morgens ( - 5 h) in Buenos Aires an. Am
Flughafen wurden wir von Ricardo, einem Mitarbeiter der evangelischen Kirche in
Argentinien (IERP), welche hier vor Ort für uns Freiwillige und unsere Projekte
verantwortlich ist, abgeholt. Die ersten
2 Wochen verbrachten wir im ISEDET ( Evangelisch- theologische Fakultät in
Buenos Aires), wo auch unser Spanischsprachkurs stattfand.
Am ersten Tag, der wegen des langen
Flugs und der Zeitverschiebung etwas anstrengend war, besuchte ich mit einer
kleinen Gruppe von Mitfreiwilligen „La
Paloma“, ein Partnerprojekt meiner Einsatzstelle das strukturell gesehen meinem
Projekt sehr ähnlich ist. Es ist auch
ein Kinder- und Jugendtageszentrum und bietet verschiedenste Aktivitäten und
Werkstätten an.
Im Laufe der 2 Wochen Sprachkurs und Seminare (Murga,
argentinisches Schulsystem, lateinamerikanische Geschichte,…) haben wir einige
Stadtteile von Buenos Aires gesehen, um ein wenig mehr Gefühl für das Land zu
entwickeln. Palermo (das Künstler- und Ausgehviertel), der Hafen und das Regierungsviertel
(Montserrat) haben mir sehr gut gefallen. Wir haben auch den Präsidentenpalast
(Casa Rosada) besucht und eine Exkursion auf das ESMA- Gelände gemacht, dort wurden während der
Militärdiktatur über 30000 Menschen gefangen gehalten, verhört und gefoltert. Der
Großteil der Gefangen ist für immer verschwunden, unter anderem wurden sie beispielsweise
aus einem Flugzeug ins Meer geworfen. Insgesamt gingen die ersten 2 Wochen sehr
schnell um. Viel Spanisch habe ich waerend des Sprachkurses leider nicht
gelernt, aber dafür habe ich sehr viele Eindrücke von den Menschen und dem
Leben in Argentinien gewonnen.
Meine Umgebung:
Baradero ist die älteste Stadt in der Provinz Buenos
Aires. Es ist ein kleiner Ort, der vielmehr den Charakter eines Dorfes hat.
Jeder kennt jeden und man kann nicht ins Dorf gehen ohne auf ein bekanntes
Gesicht zu stoßen. Die Menschen im Dorf sind super freundlich und sehr
hilfsbereit.
Baradero liegt am Rio Baradero, welcher ein Seitenarm des
Rio Paraná ist. Im Dorf gibt einige sehr belebte Straßen und einige kleine
Parks. Am Rand der Stadt gibt es viele Felder und Wiesen und auch am Fluss ist
es sehr schön und grün. Von der Landschaft und der Natur hier bin ich wirklich
begeistert. Nicht umsonst kommen sehr viel Städter aus Buenos Aires in den
Ferien und am Wochenende in diese Gegend, sodass auch in letzter Zeit das
Hostel -zumindest übers Wochenende- voll ausgebucht ist. In der Nachtbarstadt
San Pedro kann man sogar Kite-Surfen, leider bin ich dazu noch nicht gekommen.
Wenn ich mal Sehnsucht nach der Stadt habe bin ich mit dem Bus in 2-3 h in
Buenos Aires- für argentinische Größenverhältnisse ein Katzensprung.
Mein Projekt:
Das Gelände meines Projekts ist sehr groß und
wunderschön. Es gibt einen kleinen Wald, einen großen Garten, ein Feld,
Orangen-, Zitronen-, Feigen-, Nuss- und Quinotobäume. Außerdem haben wir einige
Tiere, wie z.B. Schweine, Schafe, Kaninchen und Geflügel. Für die Kinder gibt
es einen Pool, einen Fußballplatz, ein Volleyballfeld und noch vieles mehr. Vor
allem das viele Grün gefällt mir sehr gut und der Pool ist natürlich ein Luxus,
den ich und die Kinder bei Temperaturen über 30°C (im Frühling) nicht missen
möchte, auch wenn es viel Arbeit macht, ihn täglich zu reinigen.
Mein Projekt ist das „Hogar German Frers“, welches 1909
als deutsches Knabenweißenhaus gegründet wurde. Vor wenigen Jahren musste das
Kinderheim aus finanziellen Gründen und auf Druck des Staates schließen und ist
jetzt die „Comunidad Hogar German Frers“.
Das ehemalige Hauptgebäude des
Kinderheims, das in den 60ern gebaut wurde, wird als Hostel genutzt. Wir wohnen
in dem ältesten Gebäude, welches sogar schon vor 1909 gebaut wurde. Direkt
daneben befindet sich das „Centro de Dia“ (das Kinder- und Jugendtageszentrum)
in dem wir hauptsächlich arbeiten. Die Idee ist, dass sich das Projekt über das
Hostel, die Landwirtschaft, gelegentliche Veranstaltungen und
Freiwilligenarbeit selbst finanziert. Staatliche Unterstützung wurde zwar schon
vor der Umstrukturierung zugesprochen, ist aber bis heute leider noch nicht
angekommen. Dafür unterstützen viele örtliche Firmen das Projekt. So bekommen
wir viele Spenden beispielsweise in Form von Früchten, Keksen und Kleidung.
Zurzeit kommen in das Projekt täglich 30 Kinder und
Jugendliche (im Alter von 7 bis 15 Jahren). Raum wäre für mehr und das Projekt
ist auch stetig am Wachsen. Die Kinder kommen aus sehr schwierigen
Verhältnissen. So sind Gewalt im Elternhaus, Drogenprobleme und auch sexueller
Missbrauch leider keine Seltenheit. Teilweise haben die Kinder keine Väter und die
Mütter sind selbst noch Kinder oder sie wohnen bei ihren älteren Geschwistern (insofern
diese nicht im Gefängnis sind). Die Meisten verbringen sehr viel Zeit auf der
Straße und haben somit nicht wirklich eine kindgerechte Umgebung. Ich kenne
nicht alle Geschichten der Kinder aber jede einzelne die ich bisher gehört habe
war schockierend.
Im „Centro de Dia“ bekommen die Kinder Essen und Bildung,
aber vor allem haben sie die Möglichkeit zusammen mit den anderen Kindern
zumindest den Tag in einem geborgenen Umfeld zu verbringen und aufzuwachsen.
Die Kinder werden von Lehrern oder Sozialarbeitern für das Projekt
vorgeschlagen. Unsere Sozialarbeiterin besucht daraufhin die Familie und
entscheidet ob die Kinder in das Projekt aufgenommen werden, dabei werden auch
die Erziehungsberechtigten und Kinder gefragt, ob sie Teil des Projekts sein
möchten. Sollten die Kinder in das „Centro de Dia“ kommen, werden die Familien
regelmäßig von unserer Sozialarbeiterin besucht und erhalten auch
psychologische Beratung.
Mein Tagesablauf und
meine Aufgaben:
Um 10 Uhr beginne ich mit der Arbeit.
Während der Poolsaison ist eine feste Aufgabe den Pool sauber zu halten. Das
erweist sich als aufwendiger als zuerst gedacht, da er sehr intensiv genutzt
wird und inmitten von Bäumen steht. Sonst waschen wir Kleider der Kinder und
Bettlagen des Hostels, helfen in der Küche und beim Herstellen von Marmeladen
(vom Pflücken bzw. von der Anlieferung der Früchte bis zum Verzieren der
Deckel), reparieren Schaukeln und Drucker oder Helfen bei der Vorbereitung von
Veranstaltungen, besonderen Aktivitäten oder Ausflügen mit den Kindern. Es ist
also immer etwas zu tun.
Um 12.30 Uhr kommen die Kinder. Anschließend essen wir
mit den Kindern, die in der Schule kein Essen bekommen (zurzeit sind es 12).
Bei den Mahlzeiten gehört das Decken des Tisches, Austeilen des Essens und
Abspülen zu unseren Aufgaben. Bis 13.30 Uhr ist freie Zeit zum Spielen, dann gibt
es „Postre“ (Nachtisch), welches wir zusammen mit allen Kindern essen.
Danach beginnen entweder die Aktivitäten oder es werden
die Hausaufgaben gemacht und die Nachhilfe angeboten. Ich hätte nicht gedacht,
dass es funktioniert aber bei vielen Aufgaben konnte ich auch schon recht früh
mit meinen lückenhaften Spanischkenntnissen helfen (vor allem bei
Mathematikaufgaben). In den letzten Tagen haben die Kinder nur noch wenig für
die Schule zu tun, da sich das Schuljahr dem Ende hin neigt. Deshalb wir die
Zeit für Werkstätten genutzt. Einmal in der Woche kommt Diego, welcher mit den
Kindern Handarbeiten macht, wie z.B. Traumfänger basteln und Armbänder knüpfen.
Es gibt eine Werkstatt, in welcher gestrickt wird oder es werden kleine Schreinerarbeiten
angefertigt. Mario, einer der Erzieher, baut mit den Kindern ein Modell des
Hogars mit Häusern, Bäumen, Fußballplatz, Pool und allem was dazugehört.
Zweimal in der Woche kommt Alberto der Sportlehrer und macht mit den Kindern
Sportunterricht. Außerdem gibt es zweimal die Woche Tanzunterricht und
Gymnastik. Des Weiteren gehen wir zusammen mit den Kindern und Florencia einmal
in der Woche in den Garten. Die Kindergruppen haben eigene Beete, um welche sie
sich kümmern müssen und die mit Planzen bestückt werden, die sie selbst hochgezogen
haben. Ausserdem gibt es auch noch die Abuelas (die „Omas“), welche den Kindern
ab und zu Geschichten vorlesen.
Die Aktivitäten machen wir mit den Kindern zusammen,
helfen ihnen und den Instruktoren wo es nötig ist. Um 15.30 Uhr gibt es „ Merienda“,
die ich mit Helen vorbereite. Je nach
Wetter und Verfügbarkeit gibt es Tee mit Keksen oder Früchte wie Orangen,
Mandarinen, Blaubeeren oder Pfirsiche. Die freie Zeit wird zum Spielen oder
Musikhören genutzt. Die Kinder haben meist zu Hause keine Möglichkeit CDs anzuhören, da Elektroartikel
unwahrscheinlich teuer sind und einige der Kinder von einer Insel kommen, auf
der es weder fließend Wasser, noch Elektrizität gibt. Fast alle Kinder sind begeistert
von einer Gruppe, die sich „Los Wachiturros“ nennt und tanzen sehr gerne zu
dieser Musik. Insgesamt wird in Argentinien viel mehr getanzt als bei uns.
Nebenbei haben die Kinder auch die Möglichkeit ihre
Kleidung zum Waschen abzugeben und muessen sich regelmaesig im Projekt duschen.
Außerdem werden den Kindern auch die Haare geschnitten. Nichts desto trotzt
gibt es des Öfteren Läuse im Projekt- ich wurde bisher glücklicherweise
verschont.
Um 17.00 Uhr gibt es Abendessen und um
18.00 Uhr werden die Kinder von einem Schulbus abgeholt, der sie nach Hause
bringt.
An den Wochenenden gibt es ab und an Freizeiten mit den
Kindern des „ Centro de Dia“. Einige Male sind wir auch schon mit den Kindern
zusammen weggefahren, jedoch nicht immer mit allen. So war im Oktober ein
Frauenkongress in Bariloche, zu welchem wir mit einigen Mädchen und auch
Müttern gefahren sind. Andere Kinder durften mit auf Weihnachtsmärkte in Buenos
Aires, um dort das „CDD“ zu vertreten und ihre Handarbeiten zu Präsentieren und
zu Verkaufen. Mitte November sind wir mit fast allen Kindern (ein Paar wenige
mussten wir Zuhause lassen, da sie sich nicht benehmen wollten) nach Polverines
einem Vorort von Buenos Aires gefahren. Dort haben wir uns andere Projekte,
eine Schule und Parks angeschaut. Außerdem sind wir Zug gefahren, was für viele
der Kinder das erste Mal Zugfahrt war und auch für mich war es etwas Besonderes
mit offenen Türen bei über 100 km/h durch die Vororte Buenos Aires zu fahren.
In der Schule wurde ich gleich mehr oder weniger freiwillig eingespannt und
durfte in der Abschlussklasse etwas Deutschunterricht geben.
Wenn nicht gerade ein Camparmento stattfindet, gibt es
Veranstaltungen, wie Feste oder Märkte mit deren Erlös z.B. kleine
Weihnachtsgeschenke für die Kinder gekauft werden. Bei diesen Veranstaltungen
und ihren Vorbereitungen helfen wir auch viel mit. Langweilig kann einem hier
nicht werden, denn es gibt immer etwas zu tun. Manchmal ist es wirklich viel Arbeit,
aber es macht mir sehr viel Spaß und ich mache es gerne. Ich habe so viele
Ideen, was man hier noch machen könnte, leider wird mir die Zeit dazu nicht
reichen, sie rennt davon und ich kann immer noch nicht glauben, dass ich schon
4 Monate hier bin.
Meine Freizeit:
Als wir mit den Mädchen auf dem Frauenkongress nach
Bariloche gefahren sind, konnte ich am Kongress selbst (logischerweise) nicht
teilnehmen. Die Abschlussfeier und den Protestmarsch habe ich mir aber
angeschaut, so war ich wohl bei den interessantesten Sachen dabei. In der
Zwischenzeit habe ich mir Bariloche und Umgebung angeschaut. Ich bin immer noch
begeistert von der Seen und Gebirgslandschaft um Bariloche.
Häufig gibt es im Projekt Fiestas oder
in der Stadt Feiern wie z.B. den Frühlingsanfang, der mit einem riesigen Fest,
mit Festwagen der Schulen, Tanzaufführungen und Livebands gefeiert wurde. An 3
Wochenenden war ich in Buenos Aires, bin geskatet, war auf Ferias, habe mir
Projekte von anderen Freiwilligen angesehen, war im Tigre- Delta baden oder
Einkaufen. In Buenos Aires gibt es eben doch etwas mehr Auswahl als im kleinen
Baradero.
Zweimal pro Woche gehen wir zu einem sehr netten schweizer
Ehepaar, das seit einigen Jahren in Baradero wohnt, zum Spanischunterricht. Die
übrige Zeit geht fürs Wäschewaschen, Kochen, Einkaufen und Wohnungsrenovieren
drauf. Wie gesagt bisher hatte ich noch keine Zeit für Langweile und die Zeit
vergeht wie im Flug (zu schnell weil es mir hier wirklich gut gefällt).
Ich hoffe ihr könnt nun ein bisschen besser
nachvollziehen, wie sich meine Zeit hier in Argentinien gestaltet. Ich möchte
mich nochmal für all Ihre / Eure Unterstützung und Hilfe bedanken ohne die all
das nicht möglich wäre. Vielen lieben Dank.
Viele Grüße
Tobias Hilbel
P.S.: Ich möchte nochmal auf meinen Blog verweisen:
tobias-in-argentinien.blogspot.com
Sobald ich wieder ein funktionierendes Netzteil für
meinen Laptop habe, werde ich ihn weiter führen und einige interessante
Erlebnisse beschreiben, für die in meinem Bericht leider kein Platz mehr war.